Der Weg zu mehr Wachsamkeit

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Seit ihrer Gründung musste die pharmazeutische Industrie unzähligen, mitunter widersprüchlichen Prioritäten gerecht werden. Und obwohl die Patientensicherheit schon immer ein Eckpfeiler war, dienen Frühwarnungen immer noch als ernüchternde Erinnerungen, dass Wachsamkeit in einem sich ständig verändernden Markt vonnöten ist.

Die Sulfanilamid-Katastrophe von 1937 forderte in den USA 105 Menschenleben. Ein süßer Hilfsstoff, Diethylenglykol, wurde als Medikamentenabgabe-System für ein antibakterielles Elixier zur Behandlung von Streptokokkeninfektionen verwendet. Ohne Wissen des Herstellers und ohne obligatorische Tests erwies es sich tragischerweise als giftig. Der Vorfall führte 1938 zum US Food, Drug and Cosmetics Act, der Toxizitätstests vor der Vermarktung konsumierter oder angewandter Produkte vorschreibt, die unter das Gesetz fallen.  

 

 

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Zwei Jahrzehnte später stand das Medizinmarketing erneut auf dem Prüfstand. Diesmal ereignete sich eine Tragödie in Großbritannien, Schottland und anderen europäischen Ländern, wo aufgrund eines ungetesteten Mittels gegen Morgenübelkeit bis zu 20.000 Thalidomid-Babys mit Geburtsfehlern geboren wurden. Dieser Vorfall führte zu der europäischen Richtlinie 65–65 von 1965, die regelt, wie Arzneimittel vermarktet werden dürfen. Obwohl es nicht für die Verwendung in den USA zugelassen wurde, veranlasste die Schwere des Ergebnisses weitere US-Pharma-Testvorschriften, die in den US-Kefauver-Harris-Amendments von 1962 formuliert wurden.  

Sechzig Jahre später, zum Ende des Jahres 2022, hat die Pharmaherstellung wenig Ähnlichkeit mit den Prozessen von vor 70 Jahren, mit Ausnahme des globalen Engagements für die Patientensicherheit. Wir haben Task-Forces gebildet, Standards abgestimmt und folgen nun kontinuierlichen Optimierungsprozessen. Diese kollektiven Bemühungen der Branche haben die Qualität und Sicherheit verbessert und für eine ausgereifte Technologie gesorgt. Dennoch bestehen weiterhin Risiken. Was sind die aktuellen Risiken und Auswirkungen von Pharmaprodukten und wie ist die Industrie gerüstet, um sie zu vermeiden?   

Heutige Risiken und Ursachen 

Ein Medizinprodukte-Rückruf ist unbestritten das höchste Risiko. Noch gravierender wäre es lediglich, wenn der Patient vor der Entdeckung eines Defekts exponiert würde. In diesem Szenario können das Markenimage und die Loyalität der Patienten über Nacht zunichtegemacht werden. Allein die finanziellen Folgen sind erheblich, da eine einzige Rückrufkorrektur für medizinische Produkte bis zu 600 Millionen US-Dollar kosten kann, selbst wenn keine potenziellen Klagen oder andere Haftungen anfallen. Von 195 US-Pharmarückrufen zwischen Januar 2017 und September 2019 waren 85 % auf Qualitätsprobleme wie Verunreinigungen und Partikel zurückzuführen, die restlichen fielen hauptsächlich auf Etikettierungsfehler. 

Im Angesicht solch hoher Kosten gilt die gesamte Aufmerksamkeit den Grundursachen von Misserfolgen. Und während sich Beschriftungs- und Grafikfehler leicht beheben lassen, bleiben Qualitätsprobleme ein unmittelbares Risiko. Es versteht sich fast von selbst, dass Sterilität, Reinheit, aseptische Präsentation, Schutz vor Verunreinigungen und Partikeln von größter Bedeutung sind. Kurz gesagt, wir müssen zu einem unermüdlichen Streben nach Sauberkeit aufrufen. 

Sauberkeit ist eine kontinuierliche Verbesserungsmaßnahme. Wenn eine Marke nachweisen kann, dass sie über die Standards für Sauberkeit hinausgeht (und somit das Kontaminationsrisiko stärker als ihre Konkurrenten mindert), kann sie mehr gewinnbringende Aufträge verzeichnen. Das höhere Hygieneniveau dieses Unternehmens wird dann zur Industrienorm. Alle Akteure in der Lieferkette spielen bei dieser Risikominderung eine Rolle, einschließlich der Verpacker. Die Messlatte höher zu legen, ist für Endverbraucher und Pharmaunternehmen gleichermaßen von Vorteil.  

Wie In-Process-Pharma und Verpackung die Sauberkeit neu definieren 

Qualitätsprogramme umfassen nicht nur das Medikament, sondern auch die Verpackung zum Schutz des Medikaments und die zunehmend technischen In-Process-Medikamentenverabreichungs-Systeme. Die Präzisionswissenschaft der Medikamentenverabreichungs-Systeme bringt neue Materialien, neue Mittel der menschlichen Interaktion und neue Konfigurationen und Prozesse mit sich, die von uns verlangen, über das hinauszublicken, was bisher funktioniert hat.  

Eine vorfüllbare Spritze ist ein gutes Beispiel. Es beginnt mit der Spritzenschale und leeren Ampullen. Sie werden oft an ein Pharmaunternehmen geliefert, um mit dem dort hergestellten Medikament „gefüllt“ zu werden. Die Schale und die leeren Ampullen müssen geschützt werden, bevor sie zu diesem Pharmaunternehmen gelangen. Es ist die Priorität des Verpackungsherstellers, Partikel-, Staub- oder Materialverunreinigungen fernzuhalten. So verändern die neuen, noch in der Herstellung befindlichen Pharmaprodukte der Industrie die Art und Weise, wie Arzneimittel gehandhabt werden, und fügen eine weitere Ebene hinzu, die eine neue Sicherung für vorgefertigte Produkte erfordert, welche sich bei der Ankunft am Pharmakontrollpunkt noch in Bearbeitung befinden.  

Derzeit besteht auf dem Markt für vorfüllbare Spritzen ein großes Interesse an der Verbesserung des Glasmanagements, der Vermeidung von Glaspartikeln und der Minimierung und Eliminierung von Glas-zu-Glas- und Glas-zu-Metall-Kontakten. Neue Kameratechnologie und Inspektionsgeräte werden eine zusätzliche Qualitätsüberwachung der Ampullen- und Spritzenqualität ermöglichen.  

 Im Biologika-Sektor gibt es jetzt Produkte für hochempfindliche Biologika. Spritzen werden einer Wolfram- und Silikonkontrolle unterzogen, um Probleme zu lösen, die sich durch Auslaugen, Extrahieren und Partikelbildung ergeben. Bei anderen Produkten wird vollständig auf Silikon verzichtet, Stattdessen werden ein restriktives Dimensionsdesign genutzt und eine hohe Temperatur- und Feuchtigkeitskontrolle angestrebt. All dies steckt noch in den Kinderschuhen. 

Es ist wichtig anzumerken, dass der Fokus auf Sauberkeit in neuartigen Medikamentenverabreichungs-Systemen in absehbarer Zukunft für jeden Hersteller medizinischer Produkte im Vordergrund stehen sollte. Der Trend (und der Wunsch nach) Beteiligung und Interaktion der Patienten mit ihren Gesundheitsplänen steigt sprunghaft an. Die Patienten erkennen, dass sie mehr tun können. Es ist nicht mehr „nur eine Pille“.   

Patientenzentrierte Verpackungen und „Gadgets“ für die Durchführung von Behandlungen zu Hause eröffnen einen völlig neuen Designmarkt, der in die Vision der Industrie für In-Process-DDS-Produkte einbezogen werden muss. Obgleich Pharma traditionell wenig verbraucherfreundlich ist, ändert sich dies aktuell rapide. Injektoren, Inhalatoren und Patch-Technologie entwickeln sich zu einer menschenfreundlichen, selbstverwalteten Pflege. Demnächst mehr. 

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